Das Reiseland Jordanien ist den meisten Besuchern nur aufgrund seiner reichhaltigen historischen Stätten bekannt. Viel weniger geläufig und im Blickfeld ist die ebenso wildromantische wie faszinierende Natur Jordaniens. Auf kleiner Fläche und geographisch am Übergang von Afrika nach Asien lokalisiert weist das haschemitische Königreich eine überraschend artenreiche Tier- und Pflanzenwelt auf. Je nach geographischer Lage treten sehr unterschiedliche Naturräume auf. Im Osten und Süden herrscht ein typisches Wüstenklima mit den Steinsteppen der kargen Syrischen Wüste oder den Sandeinöden des Wadi Rum mit seinen bizarr-schönen Felsstrukturen. Im Norden herrscht mediterrranes Klima mit teils ausgedehnten Waldbeständen und im Westen - hin zum Jordantal und dem Toten Meer - findet sich eine einzigartige Landschaft, die geologisch ein Teil des Grabenbruchs zwischen den Kontinenten ist. Am Roten Meer findet sich unter Wasser die ganze bunte Artenvielfalt tropischer Korallenriffe.
Große Vielfalt zeichnet die Landschaften Jordaniens aus: Hier im Bild die Thermalquellen von Hammamet Main, die in den Bergen des Toten Meeres entspringen.
Diese verschiedenen Lebensräume sind Heimat von 1800 Pflanzenarten (viele Endemiten = nur lokal vorkommend), abertausende Kerbtierarten (Käfer, Heuschrecken, Schmetterlinge, Tausendfüßer u.v.a), 300 Vogelarten (viele davon auf dem Durchzug zwischen Afrika und Eurasien), sowie Dutzende Säugetier- und Reptilienarten. Jordanien will durch eine Reihe von Schutzgebieten und Naturreservaten seine Landschaften bewahren.
Zugvögel wie dieser Milan schrauben sich auch über Jordanien auf Ihren langen Zugwegen zwischen Afrika und Eurasien mit der Thermik in den Himmel.
Eine große Zahl von Gliedertieren bevölkert die Naturräume Jordaniens, so wie dieser große Tausendfüßer.
Die meisten großen Raubtiere wie der vorderasiatische Braunbär, Gepard oder der Löwe, der im Altertum in der Unterart Berberlöwe auch im Orient weit verbreitet und begehrtes Jagdwild war (oft in assyrischen Reliefs dargestellt), sind in Jordanien leider schon ausgestorben. Hingegen wurde in den 60er Jahren die als ausgestorben geltende Sinai-Unterart des Leoparden im Umkreis des Toten Meeres wieder entdeckt und wird auch in Jordanien vermutet. Im Schutzgebiet DANA, im Süden Jordaniens (ca. 25 km südlich der Stadt Tafila), wo sich die Sharabergkette bis 1300, Meter erhebt, könnten die Leoparden vorkommen. Dort teilen sie sich ihr Revier mit ihren Beutetieren, der Berggazelle und dem Nubischen Steinbock (Ibex). In den Tälern mischen sich die Rufe des Sinaifinken und anderer seltener Vögel mit dem Heulen von Wolf, Schakal oder Streifenhyäne. Die vorherrschende Vegetation besteht aus Mischwäldern mit Eichen, Pinien und Zedern. Parkbesucher können in einem eigens angelegten Campingplatz übernachten und geführte Wanderungen durch das Reservat unternehmen. Das 320 qm² große Reservat wird von der Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN) betreut und wurde 1993 eingerichtet. Es ist heute eines der Vorzeigeprojekte des jordanischen Naturschutzes.
Monumentales Panorama - Der Wadi Al Mujib
Ein anderes, landschaftlich nicht weniger reizvolles Schutzgebiet, in dem Besucher an Wanderungen teilnehmen können, ist in den Schluchten des grandiosen Wadi Al Mujib. Das 212 qm² große Reservat beherbergt eine kleine Herde von 30 frei umherziehenden Nubischen Steinböcken, die aus einem Zuchtprogramm stammen. Weitere 70 Tiere werden von der RSCN in einem Gehege gehalten. Große Raubtiere wie die gestreifte Hyäne, der Syrische Wolf oder der Wüstenluchs (Caracal) haben hier noch ihr Revier. Verschiedene Adler-, Geier- und andere Greifvogelarten drehen hier ihre Runden.
Leider ist das Naturparadies bedroht: Der verbreitete Wassermangel im Nahen Osten zwingt auch Jordanien dazu, all seine verfügbaren Wasserressourcen zu nutzen. Zur Versorgung der Hotels und der Landwirtschaft rund um das Tote Meer will man größere Wassermengen aus dem Gebiet abpumpen.
Auf dem Weg in den Norden trifft man auf das Schutzgebiet Ajloun, ein 13 qm² großes Areal unweit der gleichnamigen Burg aus dem Mittelalter. Das mediterrane Hügelland ist 1988 unter Schutz gestellt worden. Der Baumbestand setzt sich überwiegend aus Eichen- und Pistazienbäumen zusammen. Eine große Artenzahl von Wildblumen wächst hier.
Die südlichen Formen des Rotfuchses, Rehs und Wildschweins haben hier ihr zuhause. Die Waldflächen hier entsprechen denen, die einstmals weite Teile des Nordens bedeckten. Der Ausblick von der Ritterburg Ajloun offenbart die ganze Schönheit der Landschaft, die hier Jahr für Jahr viele Besucher anlockt.
Eine bunte Blütenpracht überzieht im Frühjahr den relativ grünen Norden Jordaniens
Im Jahr 1962 wurde das „Projekt Oryx“ ins Leben gerufen. Kurz vor zwölf - die anmutigen weißen Antilopen, die Charaktertiere der Arabischen Wildnis, standen durch gnadenlose Bejagung kurz vor der Ausrottung - bemühte sich der internationale Artenschutz um die Zusammenführung der noch in Gefangenschaft verbliebenen Oryx-Antilopen zu einem koordinierten Zuchtprogramm. Dabei nahm und nimmt heute das extra dafür eingerichtete jordanische Schutzgebiet im Shaumari-Reservat eine herausragende Rolle ein. Shaumari befindet sich im Osten von Amman, in der Nähe der berühmten ummayyadischen Wüstenschlösser. Diese schönen Tiere, die einstmals über ganz Arabien bis einschließlich
Irak, Syrien, Jordanien und dem Sinai verbreitet waren, standen durch gnadenlose Jagd am Rand der Ausrottung zum Zeitpunkt der Gründung des Reservats. Heute, 41 Jahre später, besteht die Herde in dem 22 qkm großen, umzäunten Gelände aus weit über 100 Tieren.
Außer der Oryx-Antilope werden hier der Syrische Wildesel (Onager), der Strauß, der Nubische Steinbock und Gazellen gezüchtet. Zudem finden sich in dem 22 qkm großen, vor Haustierbeweidung geschützten Terrain weitere 11 Säugetier- und 134 Vogel- und 130 Pflanzenarten. Der Bestand an nachgezüchteten Antilopen ist inzwischen so groß, dass man eine kleine Gruppe in einer abgelegenen Ecke im Wadi Rum ausgewildert hat, so dass ein Stück Ursprünglichkeit in die Wüstenwildnis zurückgekehrt ist.
Onager: Auch die Wildesel der Arabischen Halbinsel (Stammform unserer Hausesel, die im Nahen Osten auch erstmals domestiziert wurden) werden in Shaumari nachgezüchtet
Die Azraq Wetlands, nicht weit von Shaumari entfernt und ca. 115 km von Amman, sind das bedeutendste Feuchtgebiet Jordaniens. Es handelt sich um eine ca. 12 qkm große Teich- und Sumpflandschaft, die jährlich 100000 Wasservögel (Enten, Flamingos und Pelikane) zum Überwintern veranlaßte. Gleichzeitig war Azraq ein bedeutender Rastplatz für Millionen durchziehender Vögel. Im Jahr 1977 wurde daher Azraq auch gemäß der Ramsarer Konvention zum international bedeutenden Gebiet für ziehende Wasservögel erklärt. Ornithologen konnten bisher rund 280 Arten nachweisen, von denen ein Viertel auch hier brütete.
Beispiele für nachgewiesene Arten sind: Fischadler, Honigbussard, Falken, levantinischer Sperber, Kurzzehenadler, Steppenadler, Huhnweihe, Kornkrähe, Löffelente, Schnatterente, Spießente, Knäkente, Krickente, Tafelente, Pfeifente, Wüstenregenpfeifer, Weißschwanzsteppenkiebitz etc. Neben seinem Vogelreichtum wies diese, in einer Wüstenlandschaft unwirklich anmutende Sumpflandschaft, eine Reihe von Säugern auf: So durchstreiften Herden von Wasserbüffeln und verwilderte Pferde das Gebiet. Mit etwas Glück kann man Streifenhyänen und Füchse beim Trinken beobachten oder eine der vielen Reptilienarten aufstöbern.
Durch umfangreiche Wasserentnahmen der Großstädte Amman und Irbid trocknete das Gebiet zunehmend aus in den letzten Jahren und verlor mehr und mehr seinen einstmals so bedeutenden Status als Zugvogelrastgebiet. Seit jedoch aus neuen Tiefbrunnen im Süden Jordaniens fossile Wasserbassins unter der Wüste angezapft werden können, kann sich das Gebiet allmählich erholen und wird schrittweise wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Seit dieser Renaturierung kehren auch immer mehr der bereits verschwundenen Tiere zurück. Ein Besucherzentrum und Laufstege, die man eigens gebaut hat, erlauben heute Wanderungen durch das Gebiet und bieten Vogelkundlern Möglichkeit, die verschiedenen Vogelarten zu beobachten.
Ein Überblick über sämtliche Schutzgebiete in Jordanien zeigt, dass das Land große Anstrengungen unternimmt, um sein reichhaltiges Naturerbe sicher in die Zukunft zu überführen.
Glutrote Sonnenuntergänge im Wadi Rum bilden einen Höhepunkt einer jeden Naturreise durch Jordanien. Hier ziehen inzwischen auch wieder wilde Oryx-Antilopen durch die Felsschluchten.
Autor (und Copyright)
Dr. H P. Bustami, Dipl. Biol, Göttingen. Fotos: Dr. H P. Bustami
(Dieser Artikel ist erschienen im August 2003 in der Festschrift zum 40jährigen Jubiläum der Deutsch-Jordanischen Gesellschaft)